Kinder, Kinder

Vor einiger Zeit erkundigte ich mich in der städtischen Bücherei nach einem Kinderbuch mit dem vielversprechenden Titel: “Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel” von Michael Schmidt-Salomon. Ich war durch eine Rezension auf der Seite des Humanistischen Pressedienstes darauf gestossen und war nicht weiter erstaunt, als mir das Fachpersonal erklärte, der Autor sei als “betont antiklerikal und atheistisch” bekannt. Na bestens, dachte ich mir, ganz in der Tradition von Erich Kästner und Wilhelm Busch, zwei Altmeister der deutschen Jugendliteratur.

Statt als Kompliment war der Hinweis aber als Begründung dafür gemeint, wieso dieses drollige, herzerwärmend illustrierte Werk nicht in die öffentliche Bibliothek aufgenommen werde. Mein Einwand, ein einzelnes, fröhlich gegen den Mainstream denkendes Tierlein könne nun wirklich keine ernsthafte Gefahr für den ganzen biblisch angehauchten Zoo darstellen, verhallte ungehört. Das ketzerische Schweinchen soll also definitiv nicht neben Oskar Osterhase oder Eselchen und dem Weihnachtsmann stehen und es wagen, gegen Pfaffen, Muftis oder Rabbis zu grunzen? Mein erneutes Anschreiben gegen eine Entscheidung, die ich als Boykott, ja fast schon als Zensur empfand, rief prompt die Leitung des Hauses auf den Plan. Die Auswahl der Bücher werde intern getroffen, dagegen könne natürlich beim Stadtrat rekurriert werden.

Offensichtlich mutet man den Kindern alle Götter zu, solange sie nur brav an irgendeinen Hokospokus glauben, dass sie sich ihre Antworten selber suchen, das geht nicht. Zum Glück ist da noch Pippi, bärenstark, hoch zu Ross, mit dem putzigen Herrn Nilsson auf der Schulter. Glücklich lebt sie in ihrer Villa Kunterbunt, alleine bis auf den Kleinen Onkel und den besagten Affen. A propos: wissen Schulpsychologen eigentlich, dass dieses Tier je nach Leseart Böses symbolisiert? Ephraim Langstrumpfs Tochter ist unbeugsam, frech, selbstbewusst, und den Himmel erstrampelt sie sich aus eigener Kraft auf einem umgebauten Fahrrad.

Jene, die keine religionskritischen Kinderbuchautoren dulden, müssten eigentlich auch Huckleberry Finn und Tom Sawyer im Mississippi ertränken, bzw. das Urmel im Eis erfrieren lassen, denn Max Kruse und Mark Twain sind wahrlich keine Kirchenfreunde. Wenn Bibeltreue der Schlüssel zu den Spielzimmern sein soll, dann wäre es bald auch in “Panama” nicht mehr ganz so schön – denn Janosch ist, wenn es nach der bayrischen CDU und ihren Hardcorekatholiken ginge, nicht mehr tragbar, seitdem “antireligiöse” Zeichnungen aus seiner Feder im Magazin “Der Spiegel” publiziert wurden. Der Trost der dänischen Karikaturisten ist ihm sicher.

Wer christliche Erziehungsgrundsätze fordert vergisst leicht, dass dazu vor nicht allzulanger Zeit “Schläge im Namen des Herrn” gehörten. Persönlich ziehe ich es vor, wenn meine Kinder lernen, selbsternannte Autoritäten zu hinterfragen. So erzähle ihnen gerne von Max und Moritz, denn “Diese beiden sollen – hör’ ich – Eltern haben. – Einen der und eine die – Nämlich Scherz und Fantasie.“

1 Kommentar zu „Kinder, Kinder“

  1. Bemerkenswert immerhin, dass der Autor den BibliothekarInnen durchaus bekannt ist.

    Wie wär’s mit einem erneuten Versuch: Ihnen ein Exemplar schenken, damit sie sich am konkreten Werk eine Meinung bilden können? Und ein Rekurs beim Stadtrat wäre eigentlich auch ganz interessant. Darauf hat diese Behörde wahrscheinlich gerade gewartet *g*. Wie hält’s diese Bibliothek denn mit Werken, welche die Geschichtlein der Buchreligionen “kindergerecht” darstellen? Sind die auch verbannt, weil sie “betont klerikal und theistisch” sind?

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