Religionsfreiheit – das höchste Gut?

Zu den Vorstössen für ein Burka-Verbot

Zwar besteht in einer offenen Gesellschaft ein allgemeines Interesse an der Identifizierbarkeit des Gegenübers. Aber es ist höchst fraglich, ob die wenigen verhüllten Musliminnen hierzulande ein echtes Sicherheitsrisiko darstellen. Es befremdet indessen sehr, dass in der momentanen Debatte die Religionsfreiheit zusehends zum höchsten Freiheitsrecht erhoben wird, und dies sogar seitens eingefleischter Atheisten. Sollen kulturelle Sitten unter Berufung auf die Kultusfreiheit also auf ewig und vorbehaltlos geschützt werden? Der Gesetzgeber bewahrt den Bürger schliesslich auch anderswo vor Selbstbeschränkung und -schädigung: vor Knebelverträgen, vor der Einwilligung in die Verstümmelung.

Der Staat kann und soll der Religionsausübung dort klare Grenzen setzen, wo übergeordnete Rechte tangiert werden: das Recht auf freie Entfaltung, die Gleichstellung von Mann und Frau. Zudem gibt es Expertenstimmen, die dem Gesichtsschleier die Legitimation durch die Schriften absprechen. Im letzten November hatte Grossscheich Tantawi, die höchste theologische Autorität im sunnitischen Islam, das Tragen des Niqab an der Kairoer Uni kurzerhand verboten. Diese Traditionen hätten mit der wahren Lehre nichts zu tun. Im multikonfessionellen Europa mehren sich sogar unter Gläubigen die Verfechter einer strikten Trennung von Kirche und Staat. Zum Beispiel die neue Integrations-Ministerin Niedersachsens, Aygül Özk: kaum gewählt plädierte sie gegen Kruzifixe und Kopftücher an staatlichen Schulen und zog so den “heiligen” Zorn der christlichen Führungsriege des Bundeslandes auf sich. So ein klares Bekenntnis zur Säkularisierung ging selbst ihrem Ziehvater Wulff zu weit, der sich umgehend für den Verbleib der Kreuze in der Öffentlichkeit aussprach.

PS: Bleibt zu erwähnen, dass die türkischstämmige Muslima den Amtseid auf “Gott” leistete. Falls ihr viele Glaubensbrüder und -schwestern in die Partei nachfolgen, könnte sich dereinst ein Namenswechsel von CDU in C&A aufdrängen.

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